Normannen/ Nordgermanen/ Wikinger

Auf dieser Seite geht es um jene Männer und Frauen, die zwischen dem 8. und dem 12. Jahrhundert n. Chr. gelebt haben, und deren Ursprung im heutigen Dänemark, Norwegen, Schweden oder Norddeutschland liegt. Um eine geschlossene Volksgruppe handelte es sich bei diesen Personen nicht. Vielmehr waren es kulturell, ethnisch und sprachlich verschiedene Gruppen gewesen, weshalb sie auch unter verschiedenen Namen bekannt sind.

Am geläufigsten ist die Bezeichnung Wikinger. Auch wenn dies nur die zur See fahrenden Räuber bezeichnet, wurde eine ganze Epoche, nämlich die Wikingerzeit, danach benannt. Ebenfalls wird man sie unter den Begriffen Normannen und Nordgermanen finden können, je nach Kontext.

Sie gingen als hervorragende Schiffbauer und Seefahrer in die Geschichte ein, waren aber auch ausgezeichnete Kämpfer wie Strategen. Gefürchtete Berühmtheit erlangen sie durch ihre Raubzüge, die große Teile Europas drei Jahrhunderte lang in Angst und Schrecken versetzten.

Sie waren die gefürchteten Männer aus dem Norden, die *Wikinger!

*Die Herkunft des Begriffes lässt sich heutzutage nicht mehr eindeutig zurückverfolgen. Einen Hinweis liefert das altnordische Verb »víkingr«, was Rauben, Plündern, Brandschatzen bedeutet. Das lateinische Wort »vicus« bezeichnet Männer, die mit einem Schiff von Hafen zu Hafen fahren, und könnte ebenso die Wurzel des Wortes sein.


Begründung und Erbeutung

Das Bild der brandschatzenden Barbaren wird bei Weitem nicht allen Wikingern gerecht. Funde in beispielsweise Haithabu, Birka oder Helgø berichten von einem friedlichen Zusammenleben, einer einzigartigen Bau- und Handwerkskunst und einem regen Handel. Die Frauen und Männer aus dem Norden lebten im Familienverbund, betrieben Ackerbau und Viehzucht, waren Händler wie Handwerker, aber auch Herrscher und Freigeister.

Eroberer, Abenteurer und Entdecker

Dänische Wikinger setzten nach Südengland über oder folgten der Küste vom Festland, was sie von Deutschland, Holland und Frankreich über Spanien und Italien (damals Frankenreich), bis nach Konstantinopel und in das Byzantinische Reich brachte.

Von Norwegen aus machten sich Seefahrer auf den Weg Richtung Westen, um über die Shetland-Inseln, Orkney-Inseln und Hebriden nach Nordengland oder Irland zu gelangen. Weiter nördlich, über die Färöer-Inseln, segelten sie hinauf bis nach Island und Grönland. Leif Eriksson verschlug es schließlich bis nach Helluland, Markland, Vinland und Neufundland (Nordamerika), wo sein Vater zuvor auf Umwegen hingelangt war.

Die Nordmänner aus Schweden befuhren Osteuropa über die Ostsee und ein weitverzweigtes Flusssystem, das sie weit bis ins Landesinnere verschlug. Selbst längere Strecken über Land, bei denen das Schiff transportiert werden musste, nahmen sie in Kauf und gelangten dadurch ans Schwarze und Kaspische Meer. Sie drangen immer weiter südlich, bis ans Mittelmeer, und immer weiter östlich, bis ins heutige Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan, vor. Von den Finnen und Slaven als »Rus« bezeichnet, waren sie die Namensgeber des heutigen Russlands.

Längst nicht bei all ihren Fahrten handelte es sich um Raubzüge. Auch friedliche Expeditionen und Besiedlungen, so wie ein florierender Handel vergrößerten den Einfluss der Seefahrer aus dem Norden, die es bis nach Nordamerika verschlug, fast fünfhundert Jahre bevor Christoph Kolumbus einen Fuß auf diesen Kontinent setzen sollte.



Glaube und Gesellschaft

Von den Christen als Heiden verschrien, glaubten die Normannen gleich an eine ganze Reihe Götter. Der nordischen Mythologie nach werden sie in zwei Göttergeschlechter, den jüngeren kriegerischen Asen und den älteren erdverbundenen Wanen, eingeteilt. Neben den Göttern wurden bei den Wikingern auch die Toten verehrt und mit wertvollen Grabbeigaben beigesetzt. Die sogenannte Wikingerbestattung wurde angesehenen Mitgliedern der heidnischen Gemeinschaft zuteil. Der Weltenbaum (Yggdrasil) stand als Sinnbild für den Kosmos und war Ausdruck ihrer Naturverbundenheit.

Da die Wikinger keine klassische Geschichtsschreibung kannten, hielten sie wichtige Ereignisse in Runenschrift (Futhark) oder in Form von Darstellungen fest. Am unversehrtesten haben die verschiedenen Runensteine die Zeit überstanden, die beinahe überall in der Nähe von ehemaligen Siedlungen der Normannen oder an viel genutzten Wegen zu finden sind. Neben Stein wurde von Holz oder Eisen, über Bronze, Silber und Gold hin bis zu Knochen, Zähnen und Tierhäuten, alles mit Runen, Bildnissen oder Verzierungen versehen, was von den Nordgermanen hergestellt wurde. Dabei entstanden, räumlich und/oder zeitlich voneinander getrennte Stilrichtungen, wie unter anderem der Oseberg-, der Jelling- oder der Urnes-Stil.

In schriftlicher Form stellt die Edda eine bedeutsame Quelle dar. Bei der Edda handelt es sich um zwei, in altisländischer Sprache verfassten, Werke, ohne die uns heute so gut wie nichts über die nordische Mythologie bekannt wäre.



Handel und Handwerk

Für ihr Handelsgeschick waren die Wikinger fast so berüchtigt, wie für die legendären Raubzüge. Von kleinen Siedlungen hin bis zu mächtigen Machtzentren lag Skandinavien und große Gebiete Westeuropas in der Hand der geschickten Fälscher. Bernstein, Eisen, Holz oder Pelze waren begehrte Exportgüter gewesen. Über ein ausgebautes Handelsnetz gelangten sie unter anderem an Gold, Gewürze, Seide, aber auch die Ware Mensch, Sklaven, wurden verschifft, ge- und verkauft. Die Händler des Nordens hinterließen ihre Spuren in ganz Europa, Teilen Asiens und selbst in der 'neuen Welt', in Nordamerika. Eine entscheide Rolle bei der Verbesserung ihrer Handelsbeziehungen und der Ausbreitung der Handelsrouten spielten die Schiffe der Wikinger. Mehrere Generationen Erfahrungen steckten in einem jeden dieser handwerklichen Meisterstücke. Die Bauweisen wurden dabei stetig weiterentwickelt. Nur so war es ihnen möglich gewesen, rund 400 Jahre lang wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nebst dem Kunsthandwerk des Schiffbaus zeigten die Nordgermanen ähnliche Begabung in anderen Handwerken. Die Waffen der Wikinger waren gefürchtet und zeugten von beachtlicher Schmiedekunst. Im Besonderen das Ulfberth-Schwert war seiner Zeit weit voraus und ist bis heute von Sagen umwogen. Auch nicht zu verachten ist die Architektur der Nordmänner; sie errichteten Langhäuser, schufen komplexe Grabanlagen, konstruierten Werkstätten und legten Hafenbereiche an.



Kettenhemd, Rundschild und Speer

Waffen und Rüstungen haben bei den Wikingern eine große Rolle gespielt, was gleich mehrere Gründe hat. Einerseits war der Glaube mit dafür verantwortlich, dass die Nordgermanen keinen Kampf scheuten – vielmehr war es erstrebenswert auf dem Schlachtfeld zu sterben, um nach Walhall aufzufahren. Andererseits haben die Wikinger früh erkannt, an welche Reichtümer sie gelangen können, wenn sie mit Waffengewalt über andere Stämme, Städte und Siedlungen herfallen. Des Weiteren existierten Ritual- und Prunkwaffen, welche aus Edelmetallen hergestellt und/oder reich verziert wurden.

Zu den häufigsten Waffenfunden zählen Äxte, Speere und Schwerter. Während Axt oder Speer mit relativ wenig Aufwand hergestellt werden konnten, war das Schwert nicht für jedermann erschwinglich gewesen. Oftmals waren Parierstange, Heft und Knauf bei den Schwertern aufwendig *verziert gewesen. Gleiches gilt für einen Teil der gefundenen Speerspitzen und Axtblätter.
Unter den Grabbeilagen wurden viele einschneidige Messer mit einem schmucklosen Griff aus Walknochen oder Holz gefunden. Gebrauchsmesser dieser Art wurden den Gräbern von Männern, Frauen und Kindern gleichermaßen beigelegt. Schwerer und robuster, im Vergleich zum einfachen Messer, war das Sax oder Langsax. Ebenfalls einschneidig wurde es im Kampf als Dolch beziehungsweise Kurzschwert geführt.
Im Kampf so gut wie unabdingbar war der Schild, entweder nur aus Holz oder mit Leder, Rohhaut, Eisen verstärkt. Die häufigsten Formen waren der Rundschild und der Langschild. Seltener unter den Funden vertreten waren sogenannte Buckler.
Um den Körper vor lebensbedrohlichen Stichen und Schnitten zu schützen, trugen die Krieger und Räuber der Wikinger Brünnen aus Eisenringen. Auch als Brunnika, Panzer- oder Kettenhemd bekannt, bedeckte es den gesamten Oberkörper. Manchmal reichte es bis zu den Knien oder bedeckte die Arme bis zu den Händen. Beine wurden ebenfalls mit einer Brünne geschützt. Erst am Ende der Wikingerzeit kam sie auch an Helmen vor.
Unter den Helmen gab es ebenfalls verschiedene Variationen, die sich in ihrer Zusammensetzung und Qualität voneinander unterschieden. Je nach Stand seines Besitzers wurden sie aus Eisen, Knochen, Horn und Leder hergestellt. Bis heute wurde nur ein einziger Helm aus der Wikingerzeit gefunden, der Gjermundbu-Helm. Den berüchtigten Helm mit den beiden Hörnern hat es hingegen nie zu der Zeit der Wikinger gegeben. Er ist eine Erfindung der Neuzeit, die auf Richard Wagner zurückzuführen ist.

*Eine Art der Verzierung war beispielsweise das Niello. Dabei wurden Ornamente oder Zeichnungen in Metall geritzt oder geschliffen und mit schwarzem Schmelz ausgefüllt.



Vermächtnis und Zeitgeist

Nach über 300 Jahren endete die Wikingerzeit schließlich. Dabei spielte die Christianisierung, die Zerrissenheit der einzelnen Stämme, die Staatenbildung Skandinaviens so wie die stärker werdenden Gegner gleichermaßen eine Rolle.

Ihr Vermächtnis ist groß, um nicht zu sagen gigantisch. Sie haben beinahe überall auf der Welt ihre Spuren hinterlassen, während ihrer Zeit immer wieder Grenzen überschritten; erobert, verloren und gekämpft. Tausende Runensteine haben sie der Nachwelt hinterlassen, die nicht weniger viele Rätsel aufwerfen. Jede neue Ausgrabung bringt Unmengen an Erkenntnissen ans Tageslicht, die nicht selten die gesamte Fachwelt in Erstaunen versetzen. Die nordische Mythologie blieb dank eifriger Chronisten erhalten und andere Vermächtnisse konnten bis heute nur teilweise entschlüsselt werden, so wie die Kunst des Schiffbaus.

Bis heute leben die Leute aus Nordeuropa, ein jedem als "Wikinger" bekannt, in Büchern, Filmen, Museen und Nachstellungen weiter. Sie sind das Fundament, auf dem viele Legenden beruhen und von den die isländischen Sagas handeln.
Doch das Rückrad jener Männer und Frauen aus dem Norden, ganzgleich, ob das Hauptaugenmerk auf Handel, Erbeutung oder Eroberung lag, waren die Bauern und Handwerker. Sie, die einfachen Leute, machten den Großteil jener Gesellschaft aus. Es waren die Handwerker, deren Exponate in alle Welt verkauft wurden und deren Schiffe, die die Wikinger so erfolgreich machten. Die Beute der Jäger ernährte die Sippe und das Fell war ein begehrtes Handelsgut. Die Landwirtschaft und Viehzucht der Bauern sicherte Siedlern, Einheimischen und Zurückgebliebenen, aber auch Jarlen die Lebensgrundlage. Sie sind es, denen leider viel zu selten die Aufmerksamkeit zuteil kommt. Ohne sie wäre die über 300 Jahre Wikingerzeit nicht möglich gewesen.



Quellenangaben:
Lebendige Geschichte: In der Welt der Wikinger, Komet Verlag [ISBN:3-89836-241-8]
Die Edda: Die germanischen Göttersagen, Regionalia Verlag [ISBN:978-3-939722-82-3]
Faszination Wikinger: Eine Reiseführer, Konrad Theiss Verlag [ISBN:978-3-8062-3466-4]
Die Leute von Birka: So lebten die Wikinger, Friedrich Oetinger Verlag [ISBN:3-7891-5111-4]